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Customer Experience: Zwischen AI-Euphorie und mühevoller Kulturarbeit

Die integrierte Steuerung profitabler CX-Projekte wird zum strategischen Imperativ. Marketing Automation und Conversational Automation profitieren besonders von Generative AI-Technologien. Eine unternehmens-übergreifende Sicht auf CX wird zum erfolgskritischen Faktor.

Im Januar ist unser  CEX-Trendradar 2024 erschienen. Mit der jetzt bereits fünften Veröffentlichung nach der Premiere im Jahr 2020 ist die Entwicklung einzelner Trends, die Verschiebung von Prioritäten und die Geschwindigkeit, mit der sich Themen bei den Unternehmen durchsetzen, besonders spannend zu registrieren. Wie immer basieren unsere Ergebnisse, welche in den Kategorien «People», «Process» und «Technology» eingeordnet sind, auf eigenen Untersuchungen, vielen Gesprächen und Diskussionen, präsentierten Leuchtturm-Projekten, sowie auf methodisch nachvollziehbaren Studien.

Die Customer Experience Trends 2024 sind geprägt und überlagert von alten und neuen globalen Krisen und dem daraus resultierenden geänderten Konsumentenverhalten. Die Unternehmen haben sich im Jahr 2023 jedoch besser auf den Dauerkrisenmodus eingestellt als allgemein erwartet. Auch hat das Thema CX den Druck gesamthaft gut «weggesteckt». Auf Basis dieser ernsthaften und fokussierteren Herangehensweise an die Schaffung langfristig profitabler Kundenbeziehungen sind unsere Prognosen für 2023 überwiegend so eingetreten wie erwartet. Die Entwicklung in einem Thema – Conversational Automation – ist allerdings noch dynamischer verlaufen als erwartet.

Die Business Partnerschaft mit führenden Anbietern, die vor zwei Jahren begonnen wurde, führen wir auch im Jahr 2024 fort und bauen sie sukzessive aus. Die vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den langjährigen Partnern BSI und VIER, sowie in diesem Jahr neu mit cxomni, Seismic und Sprinklr, eröffnete den beiden Autoren wertvolle Einblicke in Technologiethemen und Kundenprojekte.

Generative AI hat 2023 geprägt und wird dies auch im Jahr 2024 tun

Customer Experience befindet sich zwar nach wie vor in gesamtwirtschaftlich unruhigem Fahrwasser; schaut man sich im gleichen Atemzug die Einschätzungen der Manager zum Einsatz von AI für das eigene Unternehmen an, so ist dies geprägt von grossen Erwartungen und Optimismus. Die Rückschläge und teilweise die Stagnation von CX-Initiativen im Jahr 2023 ist der Erkenntnis gewichen, dass CX eine herausragende strategische Bedeutung hat und deshalb trotz aller Widrigkeiten vorangetrieben werden muss. Den Nutzen und die Wirtschaftlichkeit von Projekten und Initiativen nachzuweisen, einen Erfolgsbeitrag, eine Machbarkeitsbewertung und eine Roadmap für die Umsetzung vorzulegen, wird zum Standard. Dabei stellen wir eine Fokussierung auf Themen fest, die einen schnellen ROI erwarten lassen. Nach wie vor stellt der Zusammenhang zwischen Massnahmen, Investitionen und Beitrag zum Unternehmensergebnis auf übergeordneter Sicht eine Herausforderung dar.

CX-Strategie, Grundsätze und eine gemeinsame Sicht und Sprache

Ein weiterer Trend lässt sich bei jenen Firmen feststellen, die erste unternehmens-übergreifende Schritte – abgeleitet aus der Strategie – in Richtung Umsetzung gehen wollen. Die Synchronisierung aller Projekte und Initiativen gelingt abteilungsübergreifend und interdisziplinär nur, wenn aus der Strategie Leitplanken in Form von CX-Grundsätzen definiert und vor allem kommuniziert werden. Genau an diesen Projekten arbeiten wir mit Forward zusammen.

Aus diesen Strategieprojekten lassen sich konkrete Handlungsempfehlungen für die Bereiche People, Process und Technology ableiten. Die CX-Kultur kann sich so strategiegeleitet weiterentwickeln. Ein solches Vorgehen erlaubt die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache und ist notwendig, um die Ressourcen zu bündeln und zielgerichtet einzusetzen. Für einen übergreifenden CX-Ansatz, der konsistente, exzellente Kundenerlebnisse zum Ziel hat, sind Synchronisierung und Fokus im Jahr 2024 erfolgskritisch.

Auf Seiten der CX-Technologie werden Datenqualität und Vernetzung der Systeme und die Weiterentwicklung der übergreifenden Plattformen wie z.B. der Customer Data Platform, des Customer Analytics, CRM und Marketing Automation auch im Jahr 2024 als ausgesprochen facettenreiche und damit arbeitsintensive Themen die Unternehmen beschäftigen. Ohne Qualitätsdaten und Integration kann auch Generative AI seine Wirkung nicht entfalten.

Und wie entwickeln sich die einzelnen Themen im Jahr 2024?

1. Trendterzil «People»

CX-Strategie, gemeinsame Sicht auf CX und die weitere Investition in Employee Experience dominieren im Jahr 2024.

Eine CX-Strategie ist der erste Schritt. Mitarbeitende benötigen klare Leitplanken, aus denen sich für Menschen, Prozesse und Systeme konkrete Umsetzungsschritte und damit verbunden OKRs (Objectives and Key Results) ableiten lassen. Alle Einzelmassnahmen müssen auf das grosse Ganze einzahlen. Die CX-Strategie wird damit zum Gamechanger. Strategie schlägt Taktik. Dazu wird es im Jahr 2024 wichtig, aus der Strategie koordinierte, synchrone Vorgehensweisen und Handlungsdimensionen zu giessen. Hieraus ergeben sich Grundsätze, abgestimmte wirtschaftlich abgesicherte Massnahmen und eine priorisierte Roadmap.

CX Innovations-Management:  Hier hat das Tempo nach drei Jahren zum ersten Mal zugelegt! Weniger aus dem Eigenantrieb der Unternehmen getriggert, sondern primär durch die AI-Technologie. Im Retail sorgt der Fachkräftemangel für CX-Innovationen durch AI-gestützte «grab and go» Verfahren: Läden, die nahezu ohne Personal an den Kassen auskommen. Das heisst: Einchecken im Laden, Waren nach Belieben aus den Regalen nehmen und beim Ausgang per App bezahlen. Und dass bedeutet enorme Zeitgewinne für die Kunden. Im Fashion- und Möbelhandel sorgt AI für völlig neue Erlebnisse in der Beratung, weil AI – basierend auf Fotos leerer Räume – komplette Einrichtungsvorschläge vornimmt oder im Falle von Amazon mit dem #Consult a friend“-Konzept, Kaufentscheidungen mit Freunden zu diskutieren hilft. Gekoppelt mit den Produkten und dem Warenwirtschaftssystem bieten diese Ansätze nicht nur eine grosse Zeitersparnis, sondern auch eine neue Beratungsqualität. Alle o.a. Innovationen sind technologiegetrieben und nicht das Ergebnis eines systematischen Innovationsmanagements. Da ist der Digital Home Service der Deutschen Telekom schon die wohltuende Ausnahmeerscheinung bei den Innovationen. Hier werden alle latent vorhandenen Kundenbedürfnisse bezüglich der Beratung zu IT und Heimunterhaltung angesprochen: bei der Vor-Ort Beratung, bei Unterstützung bei Konfigurationen, oder bei allgemeiner Problembehebung. Die Telekom hat diese Angebote gebündelt und daraus ein Dienstleistungspaket mit hohem Kundennutzen geschnürt. Wir bei Forward sind gespannt, wann es solche Ansätze in die Schweiz schaffen.

Auch im Umfeld von CX-Governance gibt es Bewegung. Die Einsicht, dass CX-Governance eine notwendige Koordinations-Funktion hat, setzt sich durch. Im Zusammenhang mit der Etablierung einer unternehmens-übergreifenden CX-Governance spielt die Formulierung von CX-Grundsätzen als «erste Verhaltensregel» und daraus abgeleiteten Massnahmen eine überragende Rolle. Unternehmen wie Disney oder Aldi gehen hier seit langer Zeit voraus. Die ersten Versicherer und Industrieunternehmen folgen im Jahr 2024. Die Etablierung einer starken Governance wird zunehmend zum «Enabler» und damit zur Pflichtaufgabe in CX- Projekten.

2. Trendterzil «Process»

Der Wirkungszusammenhang zwischen Investitionen und erwarteten Ergebnissen rückt in den Fokus. Das CX-Management-Cockpit entwickelt sich zu einem Kompass für Investitionsentscheidungen. Customer Journey Management wird zum datengetriebenen, dynamischen strategischen Eckpfeiler.

Customer Journey Management ist erwachsen geworden. Aus dem ursprünglich reinen Visualisieren und Mapping ist eines der wichtigsten Werkzeuge für CX-Manager geworden. An den Touchpoints entlang der Customer Journey zeigt sich, wie gut oder

schlecht, wie wirksam die CX-Konzepte sind. Customer Journey Management Systeme haben sich stark weiterentwickelt in den letzten Jahren. Sie vereinen die Konzeption der Darstellung und des Designs von Customer Journeys, journey-immanente Customer Analytics und die notwendigen Outside Insights für die Qualitätssicherung. So wird eine übergreifende Orchestrierung und Optimierung der Journeys möglich. Hier haben wir bei Forward in den letzten Jahren bei unseren Kunden grosse Herausforderungen gesehen.

So entsteht eine wertvolle Entscheidungshilfe für das CX-Management in einer Lösung. Customer Journey Management ist aus dem CX-Alltag nicht mehr wegzudenken; es hat einen direkten Einfluss auf Umsatz, Wiederkauf, Empfehlungsbereitschaft, Zufriedenheit. Zudem kann es auch zu einer sukzessiven CX-Kulturentwicklung genutzt werden. Die Methoden und Verfahren – vor allem Software-gestützt – entwickeln sich daher kontinuierlich weiter, so unsere Prognose.

CX-Cockpit: «Der Hunger nach Daten wächst»

Mit dem Hunger nach Daten wächst auch der Appetit auf Steuerungsmöglichkeiten aus diesen Daten. Im Jahr 2024 kommt ein weiterer Aspekt hinzu: das Aufzeigen von Wirkungsketten. Welche Intents haben Kunden, wie gut oder schlecht werden die Intents erfüllt, wie entsteht daraus der NPS oder der Customer Effort Score. Oder andersherum: Was sind die Treiber für einen guten NPS und wo muss das Unternehmen den Hebel ansetzen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Entscheidend wird es sein, hier einen Schritt weiterzugehen, nämlich zu verstehen wie Umsätze und vor allem die Entwicklung der Profitabilität des Kundenstamms mit Kennzahlen, wie dem NPS zusammenhängen. Grundsätzliche Idee dabei ist ja, dass Kunden mit einem hohen NPS auch mehr Produkte kaufen oder länger als Kunde verbleiben – also profitabler sind – als Kunden mit einem niedrigen NPS. Das ist aber nicht in jeder Branche gegeben. Ein typisches Beispiel dafür sind Krankenkassen (zumindest im obligatorischen Bereich). In solchen Fällen kann es sich empfehlen die Customer Experience nach dem Aufwand (Effort) der Kunden und damit nach einer überragenden Prozesseffizienz auszurichten. Die Etablierung von CX-Cockpits gehört momentan zu unseren häufigsten Herausforderungen in der Beratung bei Forward.

3. Trendterzil «Technology»

Marketing Automation und Conversational Automation wachsen sehr stark weiter; Generative AI ist in nahezu allen Systemen vertreten.

Grosses Potential in der Erzielung eines guten ROI sehen Unternehmen mehrheitlich im Einsatz von Generative AI, dies sowohl bei der Einsparung von Kosten im Customer Service durch Conversational Automation als auch bei der gezielten Neukundengewinnung durch personalisierte Kampagnen auf der Basis von Marketing Automation. Dazu haben wir als Forward mit der Hochschule Luzern schon diverse Workshops gemacht.

Die Durchdringung fast aller CX-Technologien und unterstützenden Systemen mit AI wird 2024 prägen. Integrations-Projekte bei Customer Data Platforms (CDP) und Customer Analytics und ein explosionsartiges Wachstum bei Conversational Automation prognostizieren wir für 2024. Die Fähigkeit, personalisierte «menschenähnliche» Dialoge basierend auf dem unternehmensspezifischen Wissen zu führen, beschert Conversational Automation weiteren Auftrieb. Voicebots erleben nach einem Anfangshoch mit AMAZON Alexa einen zweiten Frühling, der dieses Mal dauerhaft sein wird. Das zeigen auch die Untersuchungen unserer Associate Partnerin Sophie Hundertmark.

Auch Marketing Automation wird durch Generative AI einen kräftigen Schub erfahren. AI-gestützte personalisierte, datengetriebene Kampagnen durch Marketing Automation werden rasch an Verbreitung gewinnen. Die Potentiale werden als hoch eingeschätzt, und die Systeme sind mit einem breiten Leistungsspektrum und guter Bedienbarkeit selbst für den kleineren Mittelstand attraktiv. Diese Entwicklung haben wir im letzten Jahr bei unseren Leuchtturmprojekten bereits skizziert; im kommenden Jahr tritt dieser Trend mit noch grösserer Dynamik zutage.

Eine vergleichbare Entwicklung sehen die Autoren bei Customer Analytics. Viele Unternehmen setzen bereits Einzel- oder isolierte Systeme für die Messung des Kundenverhaltens ein. Das zeigt unsere Beratungspraxis.

Gesamthaft sind wir der Ansicht, dass 2024 ein Jahr der CX-Umsetzung in ausgesuchten, wirtschaftlich lukrativen Einzelbereichen sein wird. Basierend auf CX-Grundsätzen, die sich aus der Strategie ableiten, werden die Unternehmern schneller und zielgerichteter in ihren CX-Projekten und Initiativen vorankommen. Eine wesentliche Triebfeder wird Generative AI sein. Dort, wo aktuelle und valide Kundendaten vorliegen, wo die Anbindung per API an Systeme (z.B. CRM-, CDP- und CMS-Systeme) gegeben ist, können die Fähigkeiten zur personalisierten Ausspielung von Content genutzt werden. Marketing Automation und Conversational Automation werden die beiden grössten Nutzniesser sein. Zusammenfassend steht in den meisten Branchen ein arbeitsintensives, aber durchaus produktives CX-Jahr 2024 bevor.

Autoren

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Prof. Dr. Nils Hafner
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Harald Henn

Prof. Dr. Nils Hafner ist internationaler Experte für den Aufbau und die Entwicklung langfristig profitabler Kundenbeziehungen und Professor an der Hochschule Luzern. Harald Henn ist Geschäftsführer der Marketing Resultant GmbH in Mainz, Deutschland. Den vollständigen Trendbericht erhalten Sie auf den Blogs der Autoren hafneroncrm.blogspot.ch und marketing-resultant.de

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