2. Process: Customer Journey Management: Das Arbeitspferd im CX-Management. Die starke Fokussierung auf den wirtschaftlichen Beitrag von CX rückt Value-Management und das CX-Management Cockpit noch stärker in den Mittelpunkt. Neu hinzugekommen: CX-Ökosysteme/Plattformen
Aus dem reinen Visualisieren von Customer Journeys hat sich in vielen Unternehmen eine systematische und interdisziplinäre Arbeitsmethodik entwickelt. Customer Journeys sind der Kristallisationspunkt, an dem die Ergebnisse aus Customer Analytics und die Inhalte der Marketing- oder Vertriebskonzepte über die IT-Systeme für die digitale Umsetzung mit den Kundendaten aus der Customer Data Platform zusammenkommen. Eine Customer Journey ist dann im Ergebnis die operative und für die Kunden erlebbare Umsetzung vieler Ideen – der Lackmustest sozusagen. Ob Kunden zufrieden, begeistert, frustriert und verärgert sind, zeigt sich entlang der Customer Journey an den Touchpoints. Ob Kunden bestellen oder den Einkaufsprozess abbrechen, zeigt sich ebenfalls. Customer Journey Management ist aus dem CX-Alltag nicht mehr wegzudenken; es hat einen direkten Einfluss auf Umsatz, Wiederkauf, Empfehlungsbereitschaft und Zufriedenheit. Die Methoden und Verfahren – vor allem software-gestützt – entwickeln sich daher kontinuierlich weiter, so unsere Prognose.
Outside Insight
Neben einem besseren Verständnis der Customer Journeys durch den Einsatz von einstellungsbezogenen KPIs wie dem NPS, CSAT oder dem leider noch zu wenig eingesetzten Customer Effort Score hapert es in dieser Kategorie leider immer noch stark. Zum Teil liegt das daran, dass die Marktforschungsabteilung im Unternehmen eben immer noch Marktforschung macht und nicht Kundenforschung. Hier wird vor allem Kundenzufriedenheit attribut-orientiert in großen, repräsentativen Samples anonymisiert abgefragt. Der Erkenntniswert für die individuelle Journey ist dabei häufig nicht gegeben. Denn weder weiß man dadurch, welcher Kunde was gesagt hat, noch welches eigentlich die kritischen zu erfragenden Attribute sind. Bei der Frage, was sollte man wie messen, fühlt sich zurzeit jeder Praktiker bemüßigt, Meinungen abzugeben. Wichtiger ist unseres Erachtens nach, dass Unternehmen einerseits lernen, konsequent ereignisorientiert zu befragen und nach einer NPS, CSAT oder CES Frage eine damit verbundene offene Frage zu stellen: „Warum haben Sie uns diese Bewertung erteilt?“ Wichtig ist, solche offenen Fragen aber auch auswerten und verarbeiten zu können. Bis diese Fähigkeit flächendeckend von einer Mehrheit der Unternehmen aufgebaut ist, stagniert dieser Trend.
CX-Cockpit
„Der Hunger nach Daten wächst“, haben wir als These Ende 2021 formuliert. Mit dem Hunger nach Daten wächst auch der Appetit auf Erkenntnisse aus diesen Daten. So unsere These für 2023. Customer Analytics liefert die Grundlage für Optimierungen in den Customer Journeys, der zielgenauen Ansprache. Wir sehen eine Zunahme der Messverfahren, der Messpunkte und der Vereinheitlichung der Analysen. Die schon Ende 2021 prognostizierte Vernetzung der Themen umfasst auch die Vernetzung der Daten. Customer Analytics und Outside Insights sind die wesentlichen Datenlieferanten; das CX-Cockpit wird verstärkt in die Rolle der CX-Schaltzentrale hineinwachsen. Mehr vernetzte und zugängliche Datenquellen eröffnen auch einen Zugang zu bislang nicht erhobenen Kennziffern sowie die Möglichkeit Kennziffern in Beziehung zueinander zu setzen – Customer Journey Verhalten in Abhängigkeit zum Kundenwert zum Beispiel. Zurzeit boomt dieser Trend. Kaum ein Kongress, kaum ein Treffen mit Praktikern, bei dem wir nicht gefragt wurden: „Was würden Sie wie genau und wie häufig messen?“ Klar muss dabei sein, dass KPIs sowohl auf der Ebene der Unternehmensprozesse, auf der Ebene der Kundeneinstellungen (NPS, CSAT, CES) als auch auf der Ebene der Geschäftskennzahlen erhoben und gesteuert werden müssen. Dazu haben wir an der Hochschule Luzern 2022 intensiv geforscht und werden 2023 in einer Langzeitstudie nun diverse Kennzahlen und deren Wirkung testen. Wir prognostizieren für 2023 daher vor allem ein Wachstum verknüpfter Kennziffern.
Value Irritant Matrix
Wir reden seit einigen Jahren über den Einsatz der Value Irritant Matrix. Gerade in Zeiten knapper Budgets wird dieses strategische Instrument wichtiger denn je. Und vor allem durch die wachsenden Fähigkeiten der Chat- und Voice-Bots sowie zunehmenden Erfahrungen im Bereich der Gestaltung der Self Service Tools lassen sich immer mehr Geschäftsvorfälle automatisieren. Neu übernehmen Bots schon Teile des Verkaufs, und die Customer Analytics qualifizieren Kundendialoge auf Kaufaffinität. Die „wertschöpfenden» Dialoge im Sinne der Autoren der VIM Price und Jaffe werden also immer spezifischer und immer erfolgreicher vorbereitet. Daher lohnt es sich mehr, Kundendialoge nach ihrem Wertschöpfungsgrad für Kunde und Unternehmen zu klassifizieren. Auch über die Ausgestaltung automatisierter Dialoge und die Möglichkeiten zur Vereinfachung bspw. durch eine simple Authentifikation ist mehr bekannt. 2023 wird dieses Instrument in den ersten Branchen den „Standard“-Reifegrad erreichen.
CX-Ökosysteme/Plattformen
Dieser Trend ist in diesem Jahr neu dazugekommen. Wir haben uns lange darüber unterhalten, um was es hier geht, und gerade diesen Trend in unzähligen Einzelgesprächen geschärft. Wichtig scheint uns, dass gerade die Anbieter großer CX-Systeme in der Lage sind Communities zu entwickeln, die sich anhand konkreter Arbeitsergebnisse austauschen und miteinander vernetzen. Diese Vernetzung findet in einem Ökosystem statt. So sammelt beispielsweise unser Partner BSI in seiner Customer Suite die AI-Anwendungen (Brains genannt) und die Marketing-Automations-Schritte, die zusammen mit Kunden oder Technologie-Partnern entwickelt wurden, und stellt sie so der Anwender-Community wieder zur Verfügung. Das Ökosystem entwickelt sich also sukzessive über die Erweiterungen innerhalb der BSI Customer Suite, aber auch anhand des Austausches in Branchen-Communities. Anwender können dank No- oder Low-Code-Anwendungen Prozessschritte und Automationen konfigurativ entwickeln, die dann auch wieder zurück in den Standard fließen können. Interessant ist dieses Thema, wenn die Ökosysteme für Dritte anhand von APIs geöffnet werden. Gerade das Leuchtturmprojekt aus dem letzten Jahr bei smart Europe zeigt deutlich, dass Technologie häufig nur in der Lage ist, Multiexperience Setups in Echtzeit zu unterstützen, wenn (auch große) Anbieter in der Lage sind, ihre Lösungen miteinander so zu vernetzen und zum Laufen zu bringen, dass integrierte Prozesse aus Sicht des Unternehmens und aufwandsreduzierte Journeys aus Sicht der Kunden möglich werden.
Auch auf der Makroebene bestimmen inhaltlich branchenübergreifende Ökosysteme zunehmend die Customer Experience. Im Gesundheitswesen wird der Nutzen eines Ökosystems für die Kunden besonders deutlich. Krankenkassen, Kliniken, Ärzte, Apotheken und viele weitere Beteiligte spielen für den Kunden eine wichtige Rolle. Fragmentierte Einzellösungen oder nicht kompatible Systeme sorgen dafür, dass der Aufwand der Datenbeschaffung auf den Kunden abgeladen wird, verbunden mit hohem Zeitaufwand und Ärger. Die Vernetzung dieser Beteiligten in einem Ökosystem bringt für Kunden viele Vorteile. Diese Entwicklung wird auch über hinaus 2023 Fahrt aufnehmen. In Einzelfällen von Makro-Ökosystemen (wie unserem Beispiel aus dem Gesundheitswesen) werden die Entwicklungen nur sehr langsam voranschreiten aufgrund der politischen, gesetzlichen und vor allem datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen.