Schnelles Wachstum
«Von den 1,1 Milliarden Umsatz, die wir pro Jahr machen, stammen heute 50 Prozent aus dem online-Handel», sagt Pierre Wenger. «Vor neun Jahren waren es noch 7 Prozent. Dieses Wachstum bringt grosse Herausforderungen mit sich.» Selbstverständlich trug die Pandemie mit dem Lockdown und dem verstärkten Homeoffice der Kundinnen und Kunden einiges zum Ansturm auf den Consumer-Electronic-Versandhandel bei. «Wir haben gerade einen Vorgeschmack davon bekommen, was in Zukunft auf uns zukommt», ist der CEO überzeugt. Es lohnt sich also, das Geschäft für die Anforderungen von online und stationärem Handel fit zu machen.
«Wir wollen das beste Einkaufserlebnis für Heimelektronik in der Schweiz anbieten», lautet die Vision des Unternehmens. Da die Preise und die Produkte in diesem Segment weitgehend austauschbar seien, sei das der einzige Weg sich im Markt zu differenzieren. Reibungslos und einfach soll das Einkaufserlebnis ablaufen, so das Ideal. Und das on- wie offline: «Wir wollen alle Kanäle bieten, die der oder die Kundin möchte, solange es für uns machbar und ökonomisch sinnvoll ist und die Qualität der Dienstleistung hoch bleiben kann.»
Anspruchsvolle Verteillogistik
Interdiscount kann den Kundinnen und Kunden anbieten, online bestellte Ware selbst in einer der Filialen abzuholen. Das taten im vergangenen Jahr rund 600.000 Menschen. «Dem stehen aber mehr als zwei Millionen Päckli gegenüber, die wir direkt an die Heimadresse versandt haben.» Die rund 180 Filialen haben trotzdem eine wichtige Funktion. Hier kann man die neuesten Produkte ausprobieren und sich erklären lassen. «Und hier stehen ausgebildete Fachleute zur Verfügung, die beraten können und Kundennähe herstellen. Wir haben also 180 Assets, die reinen online-Anbietern fehlen.» Gegebenenfalls könne man zukünftig sogar die Filialen als Verteilzentren nutzen, um Kundinnen und Kunden noch schneller zu ihrem gewünschten Artikel zu verhelfen.
Interdiscount arbeitet derzeit an einem neuen Verkaufsstellenkonzept. Es werde nicht mehr Berge von Material in den Läden geben, so Pierre Wenger. «Wir wollen Raum für mehr Kundeninteraktion schaffen.» Ende 2022 werden erste Pilot-Geschäfte eröffnet. «Wir sind überzeugt, dass die physischen Touchpoints an Wert gewinnen werden, vielleicht nicht für den direkten Verkauf, aber für den Service.»
Ohne Change keine Kundenzentrierung
Da Kundinnen und Kunden sich online informieren, dann aber auch noch in die Filiale kommen, um eine Beratung zu bekommen, da sie die Servicehotline anrufen, um eine Frage zu stellen, ist das Thema Omnichannel essenziell. «Wir wollen eine höhere Kundenbindung durch Personalisierung», sagt Pierre Wenger. «Das bedeutet, den Kunden oder die Kundin besser verstehen und begleiten – konkret: keine Dinge anbieten, die er oder sie nicht haben will. Wichtiger ist das noch im Service: Mit wem hat man bereits gesprochen, welche Interaktionen gab es, um das Anliegen zu bearbeiten? Um ein Bewusstsein für solche Fragen innerhalb der Belegschaft zu stärken, sind neue Denkweisen wichtig.» Für die Mitarbeitenden wurde eine einfache Losung ausgegeben: Der Award für besten Support von einer Fachzeitschrift solle demnächst Interdiscount zugesprochen werden. Doch zunächst müssen die Mitarbeitenden überhaupt befähigt werden, ein Kundenanliegen schnell und reibungslos zu erledigen. «Sie brauchen Entscheidungsfreiheit. Das ist aber ein Lernprozess. Im ersten Jahr, in dem wir jedem ein Budget für Ersatzzahlungen zur Verfügung gestellt hatten, wurden nur zehn Prozent genutzt. Erst langsam beginnen die Kundenberater und -beraterinnen ihre Spielräume auch zu nutzen.»
Schnittstellen und Prozesse
Mehr über den Kunden wissen, den Onlineshop individualisieren und ein einzigartiges Service-Angebot machen (das Mobiltelefon oder den Computer vorkonfigurieren zum Beispiel): So will sich Interdiscount im Markt behaupten. «Wir haben eine physische Infrastruktur, die das ermöglicht», sagt der CEO. «Aber im Handel hatte man bisher kaum eine eigene dedizierte Service Strategie. Deshalb haben wir mit Hilfe von Forward die Kundenschnittstellen und Serviceprozesse angeschaut.» Um den 1200 Verkaufsberatern schnell alle relevanten Informationen zu jedem einzelnen Ratsuchenden zur Verfügung zu stellen, braucht es digitale Plattformen. Um den Mitarbeitenden mehr Zeit für die Beratung der Kundschaft zu verschaffen, braucht es eine höhere Selfservice-Quote bei Standardbedürfnissen. Die Value Irritant Matrix zeigt, welche Interaktionen die höchste Wertschöpfung bieten und welche auch automatisiert erledigt werden können. (Die Hälfte aller Kundenanfrage bezieht sich noch auf die einfache Frage, wann bestellte Ware geliefert wird.) «Bei 1,5 Millionen Kundenkontakten pro Jahr muss es auch einen automatischen Service geben.»
Viele Handlungsfelder stetig optimieren
Für die nächsten fünf Jahre hat sich Interdiscount viel vorgenommen: die Tools und Prozesse überprüfen, den Service am Point of Sale verbessern, die Mitarbeitenden befähigen und den Selfservice durch die Kundinnen und Kunden fördern, ohne den persönlichen Kontakt zu vernachlässigen. «Wesentliche Bausteine werden bis 2023 beisammen sein», sagt Pierre Wenger, «aber fertig ist es nie.»